Einen Lobbyisten kennen lernen

Clemens Buhr stellt sich am Donnerstagmorgen in der ersten Unterrichtsstunde vor: „Ich bin Lobbyist“. Für sein Publikum, die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe eins am Wirtschaftsgymnasium der Wilhelm-Schickard-Schule, zeigt er zu der frühen Uhrzeit Verständnis. Er sei selber wirklich sehr lange nicht mehr so früh aufgestanden. In der folgenden Stunde gibt Buhr auf Einladung des Geschichts- und Gemeinschaftskunde-Lehrers Matthias Loreth einen Einblick in die Arbeit des Lobbyisten und den Weg dahin. Darüber hinaus erfahren die Schülerinnen und Schüler einiges über das Selbstverständnis und die ethische Haltung von Clemens Buhr, denn sie dürfen alles fragen.

Der 24-jährige Politikwissenschaftler aus Berlin ist aktuell Werkstudent bei German Zero und Praktikant bei der Deneff, der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. Die Interessen dieser Verbände vertritt er in Gesprächen mit Politikern oder Entscheidungsträgern und zählt sich zu „Leuten, die Gesetze schreiben, obwohl sie nicht gewählt sind“. Lobbyisten sind Experten in ihrem Fachgebiet. Ganz oben stehe das Erarbeiten von Wissen. „Das Allerwichtigste ist es, die richtige Information zu haben – die Wahrheit – mit den richtigen Fakten zu arbeiten“, so Buhr. Schließlich würden sie auf Politiker und ihren Stab an wissenschaftlichen Mitarbeitern treffen, die ebenfalls filtern und prüfen. Für ein Gespräch von 30 Minuten dauere die Vorbereitung viermal so lang. Die Kunst liege darin, Wissen so aufzubereiten, dass es ankomme, beim hochbelasteten Politiker. Buhr erklärt: „Am besten optimiere ich seine Arbeit, dazu muss ich ihn weiterbilden.“

Aus dem großen Einfluss der Interessenvertretungen macht Clemens Buhr keinen Hehl: „Lobbyisten vermitteln Wissen weiter, aber Achtung! Sie haben eigene Interessen und stellen ihre Inhalte in ein positives Licht.“ Dass viel Gewicht auf der Redekunst und dem Menschenlesen liegt, erwähnt Buhr immer wieder. Er spricht vom Framing, was bedeutet, dass Inhalte für den jeweiligen Adressaten anders verpackt werden, um ihn zu erreichen, das eigene Ziel stets im Fokus.

Den Schülerinnen und Schülern empfiehlt er skeptisch zu sein, alles immer kritisch zu beäugen und nachzuvollziehen, woher es komme. Von „riesengroßen Keulen“ spricht Buhr, mit denen in der Politik und der Berichterstattung gearbeitet werde, um heftige Emotionen wie Angst und Wut hervorzurufen. Gelassen versichert er: „Die Welt geht nicht unter und Deutschland steigt nicht aus als wirtschaftlicher Player.“

Informationen zum Titelbild: Clemens Buhr stellt sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler zum Lobbyismus