Was können wir alle für eine freie und gerechte Welt tun? 

Von Marianne Moesle 

Gemeinsam mit dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart haben geflüchtete VABO-Schüler*innen der Tübinger Wilhelm-Schickard-Schule einen Podcast „Yallah, Widerstand!“ zum Thema Diktatur, Widerstand, Flucht und Demokratie erarbeitet. Am Sonntag, 25. Mai, um 15 Uhr wird der Podcast in der Stauffenberg-Erinnerungsstätte am Alten Schloss Stuttgart eröffnet.  

„Warum ist der Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg nicht geflüchtet?“, fragten die Schüler*innen der VABO-Klassen aus der Tübinger Wilhelm-Schickard-Schule, als sie auf Einladung des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart vergangenen November an einem Podcast zum Thema Diktatur und Widerstand, Flucht und Demokratie gearbeitet haben.  

Die Schüler*innen sind aus Krieg, Diktatur und Unterdrückung geflüchtet und kommen aus der Ukraine, aus Spanien und Griechenland, aus Syrien, Afghanistan, Somalia und aus der Türkei. „Wir wollten Jugendliche mit anderen Perspektiven auf das Thema Diktatur und Widerstand hören“, sagt Sanja Tolj, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Haus der Geschichte. Mit dem Podcast „Yallah, Widerstand!“ gibt das Museum Schüler*innen eine Stimme und legt seinen Fokus auf geflüchtete Jugendliche, die gerade erst in Deutschland angekommen sind. „In der aktuellen politischen Situation ist es wichtiger, denn je gerade diese Stimmen zu hören.“ 

Dank der Unterstützung des Vereins zur Förderung des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg konnte das Projekt von Sanja Tolj und ihrer Kollegin Luisa Kreiling realisiert werden. Ausgangspunkt war die Frage, was Diktatur und Widerstand in der NS-Zeit mit Jugendlichen heute zu tun hat. Was kennen die internationalen Schüler*innen, die gerade erst die deutsche Sprache und Kultur kennenlernen, von der deutschen Geschichte?  

Von Diktator Adolf Hitler haben alle schon gehört, aber wer war der Widerstandskämpfer Stauffenberg, dessen Attentat auf Hitler scheiterte und der 1944 hingerichtet wurde? Eine Herausforderung, denn migrantische Jugendliche in Deutschland haben auf den ersten Blick wichtigere Probleme zu lösen als die Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte.  

Stichwort Integration und Demokratie-Bildung: „Gerade geflüchtete Jugendliche können mit ihren Geschichten einen wichtigen Beitrag zu Diktatur- und Demokratie-Verständnis leisten“, sagt Klassenlehrerin Marianne Moesle. So diskutierten die Jugendlichen bei ihrem Podcast über Attentate, Demonstrationen, Sitzblockaden, Hausbesetzungen, Straßenkämpfe und andere Formen des Widerstands.  

Auch Flucht gehört dazu. Erinnerungen an ihre eigenen Fluchtgeschichten kamen hoch. „Ich möchte den Traum meiner Mutter verwirklichen: In Frieden lernen, eine Ausbildung machen und mithelfen, dass wir alle gut zusammenleben“, antwortete eine syrische Schülerin auf die Frage, warum sie nach Deutschland gekommen sei.  

Alle Schüler*innen wollten sich bei dem Podcast als Journalist*innen ausprobieren, interviewen und interviewt werden. Rund um die Kernfragen: „Wie kann man sich gegen eine Diktatur wehren?“ – „Was läuft gut und was läuft nicht gut in einer Demokratie?“ entwickelten sie vielfältige Fragen und Antworten. Mit ihren Beiträgen, die sie mit Hilfe von Übersetzerinnen, Mitarbeiterinnen Luisa Kreiling und Sanja Tolj sowie der Tübinger Sozialarbeiterin Svea Sellge und der Klassenlehrerin Marianne Moesle im Haus der Geschichte erarbeiteten und vorstellten, wuchsen die Tübinger Schüler*innen über sich selbst hinaus. Engagiert erzählten sie von ihren Erfahrungen im Heimatland, von ihren Fluchtgeschichten, von Ungerechtigkeiten und Rassismus-Erfahrungen unterwegs und in einem demokratischen Land wie Deutschland.  

Am letzten Tag des drei-tägigen Projekts zogen sie los zum Schlossplatz. Ausgerüstet mit Mikrofon und Aufnahmegerät fragten sie: „Was können wir alle für eine freie und gerechte Welt tun?“ Und landeten gleich bei der ersten Interview-Partnerin einen Volltreffer: Die schulpolitische Sprecherin und Landtagsabgeordnete der SPD, Katrin Steinhülb-Joos, stand den Schüler*innen, die gerade erst Deutsch lernen, Rede und Antwort.  

Trotz Sprachschwierigkeiten und gelegentlichen Missverständnissen waren die Straßeninterviews das Highlight. Denn die VABO-Schüler*innen waren begeistert, selbst etwas tun zu können und mittels Diskussionen und neuen Ideen dazu beizutragen, dass die Welt ein klein wenig freier und gerechter wird.    

Der Podcast der Jugendlichen ist eine neue Station in der multiperspektivischen Dauerausstellung zur Biografie des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Stauffenberg-Erinnerungsstätte im Stuttgarter Alten Schloss. Das Audioformat des Podcasts wird von einem Zukunftsrad gerahmt, das Besucher*innen wie ein Glücksrad drehen können. Zutaten für eine solidarische und gerechte Zukunft, zu der Bildung, Menschenrechte und Mut gehören, stehen bereit. Außerdem gibt es jede Menge freie Felder, in die Besucher*innen ihre Zukunftswünsche malend und schreibend einfügen können. 

VABO-Schüler der Wilhelm-Schickard-Schule machen auf dem Schlossplatz in Stuttgart Interviews für ein Podcast-Projekt zur Stauffenberg-Ausstellung vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Ausgerüstet mit Mikrofon und Aufnahmegerät fragten sie: „Was können wir alle für eine freie und gerechte Welt tun?“ Und landeten gleich bei der ersten Interview-Partnerin einen Volltreffer: Die schulpolitische Sprecherin und Landtagsabgeordnete der SPD, Katrin Steinhülb-Joos, stand den Tübinger Schüler*innen, die aus allen Teilen der Welt kommen und gerade erst Deutsch lernen, Rede und Antwort. 
VABO-Schüler der Wilhelm-Schickard-Schule beim Interview-Training für ein Podcast-Projekt im „Haus der Geschichte Baden-Württemberg“ in Stuttgart. Alle wollen sich als Journalisten ausprobieren, interviewen und interviewt werden. Rund um die Kernfragen: „Warum bist du aus deinem Heimatland weggegangen?“ – „Wie kann man sich gegen eine Diktatur wehren?“ – „Was läuft gut und was läuft nicht gut in einer Demokratie?“ entwickeln die Schüler und Schülerinnen Fragen und Antworten.