Pressemitteilung
Im Tübinger Rathaus
Drei Klassen der Wilhelm-Schickard-Schule (WSS) wurden heute im Sitzungssaal des Tübinger Rathauses von Vertretern aller Fraktionen des Gemeinderats, sowie von Oberbürgermeister Boris Palmer empfangen. Wie in einer echten Gemeinderatssitzung nahmen die über 60 Schülerinnen und Schüler Platz im Ratssaal und hörten zunächst den kurzweiligen Ausführungen des OB zur Arbeit des Gemeinderats zu.
Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen waren Ingrid Fischer (CDU), Anne Kreim (FDP), Gerlinde Strasdeit (Linke), Dorothea Kliche-Behnke (SPD), Christoph Joachim (AL/Grüne) und Ernst Gummrich (Tübinger Liste), die sich an diesem Montagmorgen Zeit für die dreistündige Begegnung mit den Schülerinnen und Schülern der Kaufmännischen Schule genommen hatten. Mit je einer Klasse der Berufsschule, des Wirtschaftsgymnasiums und des Berufskollegs waren alle drei Schularten der WSS vertreten.
Organisiert hatten den Besuch im Rathaus maßgeblich Christoph Lederle in seiner Doppelfunktion als Mitglied des Tübinger Gemeinderats und Lehrer für Wirtschaft und Mathematik an der Wilhelm-Schickard-Schule sowie Magdalena Ruoffner, ebenfalls Lehrerin an der WSS für Geschichte/Gemeinschaftskunde und Deutsch.
„Sind die Busse gefahren, oder mussten Sie laufen?“, fragt der Oberbürgermeister ins Plenum und greift damit gleich ein Beispiel der Tagespolitik und für kommunale Verantwortung auf. Personennahverkehr sei Angelegenheit der Kommune, werde geregelt durch die Stadtverwaltung und gewährleistet durch die Stadtwerke und an diesem Tag streikten die Busfahrer. Boris Palmer zeigt weiter die besondere Stellung der Kommunen in Deutschland, die im Rahmen der Gesetze eine sehr große Eigenständigkeit hätten und mit großem Freiraum arbeiten könnten. Wie ist das System in Tübingen? Der OB werde direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt, die Bürgermeister der verschiedenen Ressorts vom Gemeinderat, dem obersten Organ. „Wenn man kommunal etwas ändern will, kann man das per Wahl“, schließt Palmer seine Ausführungen über dieses süddeutsche Direkt-Modell. Je nach Wahlergebnis erhalten die einzelnen Fraktionen prozentual ihre Sitze im 40-köpfigen Gemeinderat, so dass die Interessen der Tübinger Wählerinnen und Wähler entsprechend vertreten werden, erfahren die Schülerinnen und Schüler.
Am Ende nimmt sich Palmer noch Zeit für Fragen aus den Reihen der Schülerinnen und Schüler. Stefan Pfeiffer aus der Klasse W2IS2 (Auszubildender zum IT-Systemkaufmann) fragt nach dem Konzept gegen Einwegverpackungen. Hier soll es, nach Aussage des OB eine Art Wegwerfsteuer für Einwegbecher geben und im gleichen Zug soll ein Pfandbechersystem eingeführt werden. Verkehrspolitisch interessiert den Schüler Evan Beier aus der Klasse 11/1 des Wirtschaftsgymnasiums, wie es zu den neuen Fahrradspuren auf Tübinger Straßen kam. Hier sei das Prinzip die Umverteilung von Flächen, weg vom Auto, antwortet Palmer, worin sich die Politik der Mehrheit des Gemeinderats zeige.
Es gibt weitere Fragen zum Tausch des Facebook-Accounts mit dem Spiegel-Reporter Haznaim Kazim. Dieser ging vergangene Woche zu Ende und eine schriftliche Reflexion dazu werde sowohl von Kazim, als auch von Palmer in Kürze zu lesen sein. Befragt, wie er einen Ausgleich zu der erheblichen Belastung im Amt des Oberbürgermeisters finde, zögert Palmer zunächst mit einem schmunzelnden Seitenblick auf seine anwesende Lebenspartnerin Magdalena Ruoffner und antwortet dann, dass die Zeit mit seiner Familie und der Sport ihm die notwendige Erholung brächten.
In der zweiten Stunde werden die Schülerinnen und Schüler per Los in drei Gruppen gemischt und treffen nacheinander die Fraktionsvertreter*innen im Trauzimmer (TL und SPD), im Ratssaal (CDU und Linke) und zum Stehempfang in der Caféteria (FDP und AL/Grüne). Von den Gemeindevertretern wollen die Schüler unter anderem wissen, wie ihr Einsatz für Integration aussieht. Ernst Gummrich weist auf die Verzahnung zwischen staatlichen Behörden und den freiwilligen Helferkreisen hin, wie notwendig diese Zusammenarbeit sei und dass ein wichtiges Prinzip in der „Kennlern-Garantie“ liege. Die Anzahl der neuankommenden Menschen in den verschiedenen Stadtteilen, Wohnräumen müsse die Möglichkeit eines moderaten Kennenlernens sicherstellen und dürfe keine Überforderung sein. Darüber hinaus gelte Fördern und Fordern, um eine gelingende Integration zu erreichen.
Befragt zur Arbeit einer Gemeinderätin, sagt Dorothea Kliche-Behnke, dass diese Tätigkeit ein Ehrenamt sei, dem mit einer Aufwandsentschädigung entsprochen werde. Reich werde man mit einem solchen Posten nicht, vielmehr sei Opferbereitschaft erforderlich. Demokratie bedeutet Teilhabe und Teilnahme, appelliert Gerlinde Strasdeit. Sie brauche die Mitarbeit der Menschen, die in ihr Leben, zumindest durch die Teilnahme an Wahlen, am besten aber durch die echte Beteiligung auf kommunaler Ebene. Mit dem Besuch ist dem zu Beginn des Schuljahres ausgelobten Projekt „Demokratie stärken“ durch den Schulleiter der WSS Joachim Maurer entsprochen worden.
Am Ende sind an diesem Morgen sehr engagierte und offene Gemeinderäte auf sehr interessierte Schülerinnen und Schüler mit klugen Fragen getroffen. Auf beiden Seiten wechseln sich Erstaunen und freudige Überraschung über die fruchtbare Begegnung ab. „Die drei Stunden vergingen wie im Flug“, sagt Gerlinde Strasdeit und sie muss es wissen, mit ihrer Erfahrung aus den Gemeinderatssitzungen donnerstagabends von 17:00 bis 22:30 Uhr. Um einen echten Eindruck von dieser Arbeit zu bekommen, empfiehlt Christoph Lederle den Schülerinnen und Schülern, eine dieser Sitzungen einmal zu besuchen. Berührungsängste dürfte es nach dieser Begegnung keine mehr geben.