Am 04.06.2018 konnten angehende Rechtsanwaltsfachangestellte zusammen mit ihrer Klassenlehrerin, Frau Gut und der Schulsozialarbeiterin, Frau Killinger, einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Rottenburg wagen und sich einen Eindruck vom Alltag in einem Gefängnis machen.
Zwei Sozialarbeiterinnen begleiteten uns durch die Häuser des Regel- und Wohngruppenvollzugs, welche sich deutlich in Aussehen und Lebensbedingungen unterscheiden. Das historisch anmutende Gebäude des Regelvollzugs mit lautschallenden Stahlgittertüren und Schlüsselgerassel erinnert an Alcatraz, das frühere US-amerikanische Hochsicherheitsgefängnis und spätestens bei der Besichtigung des „besonders gesicherten Haftraums“ bekommt man leichte Beklemmungen und ist froh, wenn man die möbellose, fensterversiegelte Zelle mit abgerundeten Ecken und Stehtoilette wieder verlassen kann.
Mit 550 Gefangenen sei das Gefängnis wie auch andere Haftanstalten derzeit überbelegt und stellt eine besondere Herausforderung für die Gefangenen und Vollzugsbeamten dar. Obwohl eigentlich 8 Quadratmeter Wohnraum zustehen sind das in Gruppenhafträumen dann oft nur noch 4,5, was so mancher in Kauf nimmt, um entweder nicht alleine zu sein oder gar in eine andere Anstalt verlegt zu werden. Nicht nur die Überbelegung, sondern auch die Zunahme von psychischen Auffälligkeiten der Inhaftierten sei zuweilen eine herausfordernde Aufgabe. Das Altersspektrum der Inhaftierten geht von 18 bis 80 Jahre, die meisten sind zwischen 30 und 40 Jahren alt. Die Bandbreite der Straftaten geht fast über das ganze Strafgesetzbuch und die Aufenthaltsdauer ist von Kurzstrafen wegen eines nicht bezahlten Strafbefehls bis zu lebenslanger Haft wegen Mordes. In Strafhaft besteht Arbeitspflicht, wie wir erfahren haben. Vom Kabeltrommeln montieren über Brot backen und kochen gibt es auch in der Schlosserei, Wäscherei und Landwirtschaft zahlreiche Arbeitsstellen, die im Rahmen des Vollzugsplans mit den Betroffenen abgestimmt werden. Im Garten- und Landwirtschaftsbetrieb werden sogar BIO-Produkte hergestellt, die jeden Freitag Nachmittag für die Öffentlichkeit zum Verkauf angeboten werden. Wer körperlich arbeitet darf auch jeden Tag duschen und jeder hat das Recht auf eine Stunde Hofgang am Tag und vier Stunden Besuch pro Monat. Alles ist genau geregelt. Zum Einkaufen kann man nicht in den Supermarkt gehen, sondern bestellt auf Listen Dinge des täglichen Bedarfs, sofern Geld auf dem selbsterwirtschafteten Konto ist. Alles verläuft bargeldlos. Der spärliche Verdienst von 1 bis 1,50 Euro Stundenlohn wird hauptsächlich in den kleinen Luxus wie Kaffee, Tabak oder Cola investiert. Genauso müssen Fernsehen, Telefonieren oder das Anmieten eines Kühlfaches selbst finanziert werden. So kosten TV/Radio 17,60 Euro Miete und Strom pro Monat. Das verdiente Geld darf nicht alles ausgegeben werden, sondern wird zu 4/7 auf einem Überbrückungsgeldkonto angespart und erst zur Entlassung für den Neustart „draußen“ ausbezahlt. Wenn jemand ein Problem hat und mit dem Pfarrer, der Psychologin oder einer Sozialarbeiterin sprechen möchte muss er dafür einen sogenannten Rapportzettel ausfüllen und warten, bis er einen Termin bekommt. Im Wohngruppenvollzug geht es etwas lockerer zu und jeder hat einen Schlüssel für seinen eigenen Haftraum. Natürlich haben die Vollzugsbeamten jederzeit Zugriff. Es gibt sogar eine Küche, in der man sich selbst etwas zubereiten kann. Die Vollzugsbeamten, die uns durch die Anstalt führten, arbeiten gerne im Vollzug, wie sie sagen. Beide haben im Erstberuf etwas ganz anderes gemacht. Einer war als früherer Elektriker an Installationen zur Klimatechnik in der JVA tätig und hat sich daraufhin in einer zweijährigen Zusatzschulung zum Vollzugsbeamten ausbilden lassen. Er schätzt die Abwechslung und den krisensicheren Job, genauso wie seine Kollegin, die vorher als Arzthelferin gearbeitet hat. Im letzten Jahr ist uns ein ehemaliger Schüler unserer Schule begegnet, welcher aus demselben Grund den Beruf des Industriekaufmanns an den Nagel hängte. Eindrücklich waren die in einem Koffer gesammelten Exponate an verbotenen Gegenständen, die Gefangene mit viel Phantasie und Einfallsreichtum herstellten. Echter Erfindergeist lässt ein Handy in einer Tomatenmarktube verschwinden und noch andere Dinge, die Staunen in das Gesicht des Betrachters zeichnen. Dass auch der Jahreswechsel im Gefängnis eine besondere Zeit darstellt und die Gefangenen ebenso ein Hauch von Feuerwerk erleben wollen lässt so mancher brennende Klopapierzipfel aus dem Fenster hängend erahnen.
Zwei spannende Stunden hinter Gittern gingen mit vielen Eindrücken und veränderter Sicht über das Leben und die Menschen in einem Gefängnis zu Ende.
Edith Killinger
Schulsozialarbeit
04.07.2018