Studienfahrt auf dem Jakobsweg

„Wandern? Wir sollen auf unserer Studienfahrt wandern gehen?“ Das war die allgemeine Reaktion der Klasse 12/5, als Herr Dier uns begeistert von seiner Idee, einen Teil des Jakobswegs mit uns zu wandern, erzählte. Nach langen Diskussionen konnte sich ein Großteil der Klasse mit dem Gedanken abfinden, auf den Jakobsweg zu gehen. Von nun an redeten wir immer wieder im Unterricht über die Planung unserer Reise. Unsere geplante Strecke sollte uns ursprünglich von Saint-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen und Pamplona bis nach Logroño bringen, etwa 170 Km: eine echte Herausforderung! Von Herrn Maurer bekamen wir die Erlaubnis, uns neun Tage für die Studienfahrt zu nehmen, um wirklich sieben Tage am Stück zu laufen, plus zwei Tage für die Hin- und Rückreise mit dem Bus. Dazu bekamen wir eine willkommene finanzielle Unterstützung des Fördervereins, und so traten 14 Schüler den Jakobsweg in Begleitung von Herrn Dier und Frau Simó an.

Am 4. Mai ging es morgens mit dem Bus von Stuttgart aus los. Die 22-stündige Busfahrt erwies sich als anstrengend aber lustig. Wir saßen wie die Sardellen in der Dose nebeneinander und hofften, bald anzukommen. Während der Fahrt erfuhren wir telefonisch von den Herbergsleitern, dass der „Camino Francés“, den wir geplant hatten, viel zu überlaufen sei. Die ganze Klasse entschied sich daraufhin spontan, sechs Etappen auf den „Camino de la Costa“ (Küstenweg) zu wandern, von Irún bis Bilbao, insgesamt ca. 150 Km. Wir fuhren also weiter mit dem Bus nach Irún, und direkt nach der Ankunft um vier Uhr morgens begannen wir unsere Wanderung, obwohl es noch dunkel war. Auf der ersten Etappe sahen wir den Sonnenaufgang über der Hafenstadt und wanderten weiter auf angenehmen Waldwegen bis zu einem kleinen Dorf am Meer, wo wir eine gemeinsame Pause einlegten. Von dort aus liefen wir weiter bis San Sebastián. Erschöpft kamen wir am wunderschönen Stadtstrand von San Sebastian an und stellten entsetzt fest, dass mittlerweile die einzige freie Herberge sich am anderen Ende der Stadt befand. Also stapften wir weitere zwei Stunden bis zur Herberge bei 31 Grad, völlig erschöpft von den knappen 30 Kilometern, die wir schon bewältigt hatten und natürlich übermüdet von der Busfahrt. Nach Komplikationen wegen zu wenig Schlafplätzen war die Stimmung angespannt, aber erstaunlich konstruktiv und friedlich. Im Endeffekt bekam jedoch jeder einen Platz in der Herberge und wir waren froh, endlich schlafen zu können.

Die nächsten Etappen führten uns durch sehr malerische Landschaften und direkt am Meer entlang über Zarautz bis nach Deba. Morgens konnte jeder so loslaufen, wie er oder sie wollte, und unabhängig das eigene Tempo bestimmen.  Allgemein starteten wir immer sehr früh, um der Mittagshitze zu entkommen und nachmittags am Strand entspannen zu können.

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„La Concha“ in San Sebastián

Den Nachmittag konnte sich jeder selbst gestalten mit Besichtigungen, Einkäufen, Baden oder einfach Ausruhen.

Ab Deba wanderten wir ins Landesinnere über mittelhohe Bergwanderwege, an baskischen Bauernhöfen vorbei und durch kleine Ortschaften bis zur nächsten Herberge. In jeder Herberge fühlten wir uns wohl, da die „hospitaleros“ (Herbergsväter) immer ausgesprochen freundlich und zuvorkommend waren.

Auch in den Schlafsälen war es immer sauber. Die einfachen Stockbetten waren natürlich ausgesprochen bequem nach einem langen Wandertag. Der einzige Nachteil war, dass es sich nicht vermeiden ließ, mit dem einen oder anderen „Schnarcher“  im Saal schlafen zu müssen. Aber dafür gibt es zum Glück Ohrenstöpsel.

Wir verpflegten uns tagsüber selbst mit unseren Snacks, aßen Tapas und einmal verabredeten wir uns zu einem klassischen Pilgermenü in einem Restaurant.  In dem kleinen Dorf Zarra überraschten uns ein „hospitalero“ und seine Frau mit einem köstlichen Drei-Gänge-Menü für wenig Geld.

Das Wandern an sich verlief für die meisten problemlos. Für manche kam es durch die anstrengenden und steilen Küstenwege und den schweren Rucksack zu einer Überbelastung der Knie oder der Schienbeine. Die betroffenen Personen fuhren dann mit Frau Simó bis zur nächsten Herberge mit dem Bus. Sogar das Wetter unterstützte uns mit angenehmen Temperaturen (zwischen 20 und 25 Grad).  Man musste sich auch keine Gedanken um den Weg machen, da man immer nur den vielen gelben Pfeilen folgen musste.

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Von unserer letzten Herberge aus in Eskeriki hatten wir die Möglichkeit, nochmal 23 Kilometer nach Bilbao zu wandern, oder in einer Stunde mit dem Bus dorthin zu fahren.  Die sportlichen Jungs wanderten mit dem Herrn Dier die letzte Etappe,  und der Rest fuhr nach Bilbao mit dem Bus. Dort konnte jeder selbst entscheiden, wie er oder sie den Tag verbringen wollte. Einige gingen shoppen, andere besichtigten die Stadt und ruhten sich nochmal vor der anstrengenden Busfahrt aus. Um 18 Uhr trafen wir uns beim Museum Guggenheim, um danach bei einem gemeinsamen Abendessen im „All-you-can-eat-Asiaten“ (natürlich auch mit guten spanischen Gerichten) uns nochmal die „Bäuche voll zu schlagen“. Anschließend liefen wir spät abends zum Busbahnhof und fuhren zurück nach Stuttgart.

Zusammengefasst war diese besondere Studienfahrt äußerst gelungen. Die Stimmung in der Gruppe war durchgehend positiv und entspannt. Besonders gut hat uns gefallen, mit welchem Vertrauen uns Herr Dier und Frau Simó entgegengekommen sind und wie viel wir mitbestimmen durften. Es war nicht eine dieser typischen Schulausflüge mit einem strengen Programm der Lehrer, vielmehr konnten wir Schüler sehr selbständig sein, und dadurch haben wir das Land auf eine sehr individuelle Art erleben können.

Das war eine super Vorbereitung und Einblick für selbständiges Reisen und Backpacking nach dem Abitur. Wichtig ist auch, dass die Schüler genug Interesse und Offenheit zeigen, damit das Ganze auch funktioniert. Wir haben uns gut vorbereitet gefühlt durch Packlisten,  Aufklärung und Tipps durch unseren erfahrenen Pilger-Lehrer Herr Dier. Als negativen Punkt der Studienfahrt, muss man die anstrengende Busfahrt erwähnen, die sehr zeitaufwendig und ungemütlich war.

„Muchas gracias“ an Frau Simó und Herrn Dier für die außergewöhnliche Studienfahrt! Wir schätzen die große Verantwortung, die sie auf sich genommen haben, und können die Studienfahrt auf dem Jakobsweg nur weiterempfehlen.

Text von Lena und Sophie